Kunststoffrasenbeläge und Mikroplastikproblematik

Der Kunststoffrasenbelag auf den Sportplätzen findet nicht aus den Schlagzeilen und wird in Zeiten wachsenden ökologischen Bewusstseins immer mehr zum Kritikpunkt. Nachdem die Frage allfälliger Gesundheitsrisiken durch PAK-Anteile in den Weichmachern der Granulate aus recyclierten Autoreifen auf Basis von ECHA-Studien (European Chemical Agency) und darauf aufbauenden Richtwerten des Schadstoffgehalts – siehe ÖISS Richtlinie „Kunststoffrasenbeläge, Eigenschaften, Aufbau und Prüfung“, Stand 12/2017 – zumindest vorläufig abgegrenzt werden konnte (lesen Sie mehr), steht aktuell die Mikroplastikthematik im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Dies darf auch nicht erstaunen, wenn riesige Berge schwarzen Granulats aus Altautoreifen nach der Schneeräumung am Rande der Spielfelder verbleiben, ins Auge fallen und als alarmierende Bilder Eingang in die Medien finden. Der Hinweis, dass die Schneeräumung in diesen Fällen unsachgemäß durchgeführt wurde, kann nur teilweise zur Beruhigung beitragen und verpufft angesichts der zu bewältigenden Schneemengen im vergangenen Winter. Das Gummigranulat, das als Verfüllmaterial in Kunststoffrasenbelägen zur Anwendung kommt und einen wesentlichen Beitrag zu den technischen Eigenschaften und zur Schutzfunktion des Belages für Aktive leistet, ist unschwer als Mikroplastik zu identifizieren und wirft auch für Laien die Frage nach einer möglichen Verbreitung in Böden und Gewässern auf.

Die Tiroler Landesregierung hat unmittelbar auf diese Medienberichte reagiert und einen Regierungsantrag, der künftig nur noch die Förderung von Kunststoffrasenbelägen ohne Gummigranulatverfüllstoffe vorsieht, verabschiedet. Bezüglich Vorarlberger Gesetz zum Schutz der Bodenqualität aus 2018 ist die Anwendung auf Kunststoffrasenbeläge noch unklar.

Auch die oben angeführte ECHA ist seit März 2019 zum Thema tätig und hat ein Dossier zur Restriktion von „intentionally added microplastic“ zur Diskussion freigegeben. Darin enthalten sind aufbauend auf der Definition von „Mikroplastik“ auch Bestimmungen für Infill-Materialien von Kunststoffrasenbelägen. Der Begriff „intentionally added“ begrenzt die Thematik auf das Infill-Material; der Kunststoffrasenbelag selbst steht noch nicht im Fokus dieser Restriktion, was in Zukunft in einem weiteren Schritt der Begrenzung von Mikroplastik aber durchaus möglich wäre. Mitte 2020 wird die ECHA die Arbeit am Dossier abschließen, 2021 soll die Restriktion in Kraft treten.

Insbesondere bezüglich Infill trachtet die ECHA danach, Informationen zu erhalten, die Ausnahmeregelungen ermöglichen könnten. Bei diesen Informationen soll es darum gehen, darzustellen, dass die „Gefahr“, die von Infill ausgeht „begrenzt“ ist. Internationale Gruppen und Interessenvertretungen, darunter auch die einschlägige CEN-Arbeitsgruppe (Europäisches Komitee für Normung), arbeiten an entsprechenden Positionspapieren. Einzelne europäische Länder, z.B. Dänemark oder Holland, haben bereits Studien erstellt, die einen sehr geringen „Verlust“ an Infill in die Umwelt belegen, der durch spezifische Maßnahmen noch weiter reduziert werden kann. Es geht also in nächster Zeit darum, gegenüber der ECHA Maßnahmen bei Bau, Erhaltung und Pflege von Kunststoffrasenbelägen darzustellen, die einen maximalen Schutz der Umwelt erkennen lassen. Die Überführung derartiger Maßnahmen in die Praxis ist in einem Folgeschritt die logische Konsequenz.

All diese Entwicklungen waren Anlass für das ÖISS, die Fragestellung von Kunststoffrasenbelägen als Mikroplastikbelastung für die Umwelt mit Experten der technischen Chemie zu diskutieren und die Frage zu erörtern, ob die geplanten Einschränkungen einen Weg in die richtige Richtung anzeigen.

Fazit

Kunststoffrasenbeläge bedeuten zweifelsfrei einen flächenintensiven Beitrag zur Verbauung unserer Umwelt mit Kunststoffen – neben unzähligen anderen Sparten wie z.B. Einsatz von Geotextilien zur Erdbewehrung und Drainage (Folien, Gitter, Vliese), Folien in der Landwirtschaft und Gärtnereien, Kunststoffbedachungen (glasfaserverstärkte Kunststoffe), Zelte, Traglufthallen.

Aber die Problematik liegt keinesfalls alleine im Granulat, sondern im Gesamtsystem. Im Gegensatz zu anderen Kunststoffbelägen auf Sportplätzen ist der Kunststoffrasen ein vergleichsweise offenes System mit entsprechendem Potenzial für Verfrachtungen und Abrieb. Unbeachtet bei der bisherigen Diskussion rund um das Granulat blieb nämlich die Frage des Abriebs und des daraus entstehenden Feinstaubs, der vom Menschen auf vielfältige Weise aufgenommen werden kann und eine entsprechende Belastung bzw. Gefährdung bedeutet. Eine allgegenwärtige Belastung übrigens: man denke nur an den Abrieb der Autoreifen – dem Ausgangsprodukt des üblichsten Gummigranulats –, dem wir in Form von Feinstaub alltäglich ausgesetzt sind bzw. der ungefiltert Verbreitung in Böden und Gewässern findet.

Bezüglich Feinstaub schätzen die Experten die Bändchen, wie die „Grashalme“ des Kunststoffrasens in der Fachsprache bezeichnet werden, ähnlich ein wie das Granulat, da auch das Bändchenmaterial durch die Benützung einen Abrieb erleidet und entsprechende Partikel freisetzt.

Was kann also angesichts der gesamtheitlichen Problemlage empfohlen werden?

Ökologisch völlig unbedenkliche Alternativmaterialien für den Kunststoffrasenbelag sind derzeit am Markt (noch) nicht verfügbar; Materialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe weisen vielfach andere Probleme auf – zweifelsfrei eine wichtige Entwicklungsaufgabe für die Industrie. Ob eine Rückentwicklung zu den organischen Materialien der Vergangenheit – z.B. Tennenplätze, die in Deutschland lange Jahre üblich waren – auf entsprechende Akzeptanz stoßen würde, sei dahingestellt.

Bei der Entscheidung für oder gegen die Neuanlage eines Kunststoffrasenplaqtzs muss die ökologische Betrachtung künftig eine zentrale werden. Die Euphorie der frühen Jahre rund um den Kunstrasen ist vorüber; auch die erwartete bzw. erhoffte langjährige technische Haltbarkeit hat sich vielfach nicht erfüllt. Nicht selten besteht bereits nach 10 Jahren der intensiven Bespielung Bedarf nach Generalsanierung. Der Kunststoffrasen ist also bis auf weiteres eine Alternativlösung für prekäre räumliche oder klimatische Bedingungen; der Generalforderung nach einem (zusätzlichen) Kunststoffrasenplatz für Vereinsanlagen sollte nicht entsprochen werden. 

Bei bestehenden bzw. jedenfalls erforderlichen Kunstrasenplätzen muss es darum gehen, technische Lösungen zu finden, die das Material bzw. die beinhalteten Gefahrenstoffe kontrolliert am Platz belassen; dies beinhaltet selbstverständlich auch eine kontrollierte Schneeräumung. Der kontrollierte Umgang mit diesen Materialien, insbesondere im Rahmen des Betriebes und der Pflege, wird bereits auf europäischer Ebene diskutiert und sollte eigentlich einen vernünftigen Umgang mit derartigen Stoffen darstellen. Diskutiert werden Maßnahmen zur Minimierung der Verfrachtung von derartigen Materialien in die Umwelt (Erfassung Sickerwässer und deren Reinigung, Einfriedung mit Barrieren, Freiräume für kontrollierte Ablagerung und Verwertung, gezielte Pflege).

Bezüglich (politischer) Förderanreize würde es Sinn machen, diese in Richtung der oben angeführten technischen Lösungen zu lenken, die aber jedenfalls einen erhöhten Planungs- und Kontrollaufwand erfordern.